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Grundsätzliches

Ein bunter Strauß Urheberrecht

Am vergangenen Mittwoch hat das Bundeskabinett ein Gesetzespaket zur Reform des deutschen Urheberrechts auf den Weg gebracht. Vorausgegangen waren zwei von der EU im Jahr 2019 beschlossenen Richtlinien. Diese waren schon damals heftig umstritten und wurden von massiven Protesten auch in Deutschland begleitet. Nun mussten diese vom sozialdemokratisch geführten Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit einem Entwurf in nationales Recht transformiert werden. Wieso unser aller Internet vielleicht davon nicht untergehen wird, der Entwurf jedoch wie ein bunter Strauß Tankstellenblumen beim ersten Date wirkt.

Dornenranken

Eine Reform war grundsätzlich aus zweierlei Gesichtspunkten dringend geboten: Zum einen, um innerhalb der zweijährigen Frist die EU-Richtlinie umzusetzen, zum anderen, da unser deutsches Urheberrecht an das digitale Zeitalter angepasst werden musste. Denn auch beim Urheberrecht zeigen sich die Schwierigkeiten der Rechtsdurchsetzung im Internet: Ähnlich wie in Fällen von Hate Speech wird auch bei Urheberrechtsverstößen viel zu langsam oder oftmals gar nicht reagiert. Im Netz werden urheberrechtlich relevante Werke von dem Großteil der Nutzer:innen unbedacht hochgeladen, geteilt und weitergeleitet. Es herrscht allgemein gar kein Verständnis, dass die geteilte Fotografie, die Videosequenz oder auch sonstige Werke rechtlich geschützt sein könnten. Das Ganze zum Leidwesen kleinerer Kunstschaffender, aber natürlich auch aus großer wirtschaftlicher Perspektive für die Agenturen und Medienkonzerne. Eine Reform ist daher grundsätzlich zu begrüßen, auch wenn diese von Anfang an mit enormen Schwierigkeiten verbunden war. Die größte Problematik für das Bundesministerium war so sicherlich die Vielzahl an Interessengruppen, die sich jeweils nahezu unversöhnlich gegenüber stehen. Da wären zum einen die großen Internetplattformen wie beispielsweise YouTube und Google, die für die Urheberrechtsverstöße ihrer Nutzer:innen natürlich möglichst wenig in Haftung genommen werden wollen. Zudem große Verlage, allen voran Zeitungsverlage, die besonders in Zeiten sinkender Printauflagen auf Bezahlmodelle im Internet angewiesen sind und denen deshalb frei zügängliche Textschnippsel ihrer Artikel ein Dorn im Auge sind. Als zentrale Interessengruppe natürlich die Kunstschaffenden, die nach Ausrichtung des deutschen Urheberrechts immer in die Verwertung und Vergütung ihrer Werke eingebunden werden müssen. Viele kleine Kunstschaffende schließen sich zu mächtigen Verwertungsgesellschaften wie die GEMA zusammen, die so gebündelt und anteilig ihre Interessen besser durchsetzen können. Große Medienunternehmen üben davon losgelöst natürlich auch eigenständigen Druck aus. Und als letztes natürlich die wichtigste Interessengruppe, ohne die alle anderen Machtkämpfe gegenstandslos wären: wir alle als Nutzer:innen und Konsument:innen. Wir wollen möglichst frei kommunizieren, Werke auch mal für Memes verwenden und Videos teilen. Es wird folglich schnell klar: Eine für alle komplett zufriedenstellende Lösung konnte es bei dieser Interessenmenge gar nicht geben.

Bunte Blumen

Mit diesem Vorwissen erklärt sich die Fülle an unterschiedlichen Regelungen in dem jetzigen Beschluss. Kernstück der Reform ist ein komplett neues Gesetz: das Urheberrechts-Dienstanbieter-Gesetz. Dieses beinhaltet eine Lizenzverpflichtung für die Plattformen zur Zahlung an die Vergütungsgesellschaften, eine Verpflichtung zur unverzüglichen Löschung („take down“) nicht gesetzlich erlaubter Inhalte und auch die Verhinderung eines zukünftigen Reuploads („stay down“). Komplexer wird es dabei durch verschiedene Sperrvorschriften und durch unterschiedliche Kennzeichnungen, die markieren sollen, ob ein Inhalt als gesetzlich erlaubt gilt („Pre-Check“, „Pre-Flagging“ und „Post-Flagging“). Die Plattformen werden die Fülle an Anforderungen nur durch Uploadfilter umsetzen können, die vor dem endgültigen Hochladen von Nutzungsinhalten diese auf ihre gesetzliche Erlaubnis hin automatisiert überprüfen. Für wen das Ganze jetzt schon nach Rechtsunsicherheit klingt – es kommt noch besser: es steht noch nicht mal fest, für welche Plattformen diese Verpflichtungen überhaupt gelten sollen. Die Gesetzesbegründung zählt 13 Plattformen auf. Dabei soll es sich allerdings lediglich um eine vorläufige Annahme handeln, die keineswegs abschließend ist. In diesem ganzen Wirrwarr werden schließlich auch die Nutzer:innen auf der Strecke bleiben. Lediglich eine Bagatellgrenze erlaubt es ihnen rechtssicher fremde Werke zu zitieren (15 Sekunden Film- und Tonspur, 160 Zeichen Text, 125 Kilobyte Foto).

Goodbye Memes?

Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Plattformen diese komplexen Anforderungen umsetzen werden. Klar ist zunächst: Mit diesem Entwurf bricht die Große Koalition ein Versprechen aus ihrem Koalitionsvertrag: Dort lehnte sie noch eine Verpflichtung zu Uploadfiltern als „unverhältnismäßig“ ab. Um Uploadfilter aber werden die großen Plattformen bei diesen Anforderungen wohl nicht herumkommen. Allgemein wird mit diesem Entwurf wieder viel Verantwortung auf private Dritte abgeladen. Das ist auf der einen Seite zunächst logisch, da die Plattformen natürlicherweise viel schneller reagieren können, verlagert aber auf der anderen Seite eben auch grundsätzlich staatliche Entscheidungsprozesse (eben welcher Inhalt gesetzlich „erlaubt“ ist) auf Private. Die konkreten Auswirkungen auf unseren Alltag sind darüber hinaus momentan noch vollkommen unklar. Wird das tägliche Spongebob-Meme nie wieder die Weiten des Internets erblicken, weil es beim Upload auf Grund eines möglichen Urheberrechtsverstoßes herausgefiltert wird? Ob sich unsere Nutzungserfahrungen tatsächlich gravierend ändern werden oder ob sich das Gesetz letztendlich ähnlich geräuschlos wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz einspielen wird, bleibt abzuwarten. Dazu ist vielleicht auch zu erwähnen, dass bereits in den letzten Jahren auf YouTube immer mal wieder Uploadfilter zum Einsatz kamen, die großen Plattformen diesen Weg mithin bereits freiwillig und geräuschlos beschreiten1https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/wie-youtube-in-grossem-massstab-uploadfilter-einsetzt-16943697.html. Einige Plattformen wie zum Beispiel Twitter könnten möglicherweise auch gar nicht unter die neuen Vorschriften fallen 2https://www.zeit.de/digital/internet/2021-02/urheberrechtsreform-deutschland-eu-upload-filter-youtube-kabinett-entwurf/komplettansicht. Auf unsere täglichen Memes müssen wir daher vielleicht gar nicht verzichten. Besorgniserregender ist da eher wie eindrucksvoll durch die Lobbyarbeit der großen Medienkonzerne in der Schlussphase der Entwurf immer verlagsfreundlicher geworden ist 3https://www.sueddeutsche.de/digital/urheberrecht-upload-filter-deutschland-1.5195447. Zuvor waren so die oben erwähnten Bagatellgrenzen in allen Bereichen deutlich nutzer:innenfreundlicher. Das ist für das Nutzungserlebnis auch dahingehend bedauerlich, dass weitere Bagatellgrenzen eben auch mehr Rechtssicherheit bedeutet hätten. Hier hat sich die Politik verwerflicherweise dem Druck der großen Konzerne gebeugt. Mit dem Entwurf zur Urheberrechtsreform zeigt sich jedenfalls: Die Rechtsdurchsetzung im Internet stellt die Exekutive und Legislative immer noch vor enorme Probleme. Herausgekommen ist ein bunter Strauß aus komplizierten Regelungen, die Verantwortungen an die Judikative oder Private abgeben. So zeigen sich erstaunliche Parallelen zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Die Politik versucht sich hier an einem Spagat um die verschiedenen Interessensgruppen alle einigermaßen zufriedenzustellen. Das klappt an vielen Stellen nur mäßig. Der Gesetzesentwurf wirkt daher eher wie ein bunter Strauß Tankstellenblumen beim ersten Date. Überzeugen wird er die Meisten wohl kaum.

Von Christopher

Christopher ist 28 Jahre alt und lebt in Berlin. Die Eigenarten und die Vielseitigkeit der Stadt schätzt er sehr und nimmt sie auch gerne mal vor dem tadelnden Blick anderer in Schutz. Christopher arbeitet als Jurist in einer Kanzlei und ist seit 2017 Mitglied der SPD. Politisch interessiert er sich vor allem für die Innen- und Rechtspolitik.

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