NRW hat in seiner Geschichte viele Strukturwandel erlebt. Eines verbindet all diese Wandel: Sie haben unmittelbar Auswirkungen auf die Arbeitswelt – und somit auf unser ganzes Land. Noch vor über 300 Jahren war die Arbeit in NRW vor allem durch die Agrarwirtschaft geprägt. Mit der Erfindung der Dampfmaschine siedelten sich industrielle Unternehmenszweige an. Bergbau, Chemie und Stahl brachten in der Folge nicht nur neue Arbeitsplätze, sondern auch Wohlstand und einen enormen Bevölkerungszuwachs. Jetzt, zu Beginn der 2020er-Jahre, steht die Arbeitswelt vor einem doppelten Wandel: der weiterhin zunehmenden Digitalisierung und der Herausforderung, bis spätestens 2045 klimaneutral produzieren zu müssen.
Schwerpunkt der Sommertour: Der Wandel der Arbeit
Auf meiner diesjährigen Sommertour habe ich zwei Monate lang vor allem Unternehmen besucht. Fast 75 Termine habe ich zwischen Euskirchen und Herford wahrgenommen und dabei über 60 Betriebe besucht. Ich will aus erster Hand erfahren, wie sich der Wandel der Arbeitswelt in NRW auswirkt, welche Herausforderungen er mit sich bringt und welche Chancen er für die Menschen bietet. Eines vorweg: Im Austausch mit den Beschäftigten, Gewerkschaften und Geschäftsleitungen habe ich viel erfahren können und neue Eindrücke gesammelt. Wie so ein bleibender Eindruck praktisch aussieht, möchte ich anhand eines Termins berichten, den ich an einem Sommertour-Tag Mitte August wahrgenommen habe.
Vor den Werkstoren einer Fabrik für die Produktion und Herstellung von LKW-Bremsscheiben traf ich frühmorgens die örtlichen SPD-Vertreter*innen und den Betriebsratsvorsitzenden. Der Betrieb, der ca. 200 Mitarbeitende beschäftigt, automatisiert derzeit seine Produktion. Nach kurzer Einführung und Austausch mit der Geschäftsleitung und den Betriebsrats-Vertretenden besichtigten wir die drei Werkshallen.
Bei kaum einem anderen Termin meiner Sommertour ließ sich der Wandel der Arbeit bildlicher erkennen als in diesen drei Werkshallen. In der ersten Werkshalle wird seit den 1970er Jahren produziert. An den einzelnen Geräten, Fräsen und Produktionsanlagen saßen Arbeitnehmende. In der Luft lag ein leichter, metallischer Geruch und auf dem Boden lagen vereinzelt Metallsplitter. Meiner Einschätzung nach arbeiten rund 25 Personen zugleich in dieser Halle. Die zweite Halle, die man über ein Verbindungstor erreichen konnte, wurde in den 1990er Jahren aufgebaut. Was mir direkt auffiel: in der Halle war es etwas sauberer, viele Maschinen arbeiteten teilautomatisiert, sodass nur ca. 5-10 Beschäftigte die Produktion begleiten müssen. Die dritte Halle, die erst vor wenigen Monaten fertiggestellt wurde, war sauber, kein Geruch von Metall, die Lautstärke war spürbar leiser. In ihr stand genau eine Produktionsmaschine, die in etwa der Grundfläche eines Einfamilienhauses entspricht. Für den vergleichbaren Fertigungsprozess der anderen Hallen wird an dieser Maschine genau eine Person benötigt, deren Aufgabe vordringlich darin liegt, die Arbeit der Maschine zu überwachen.
Aus technischem Fortschritt menschlichen machen.
Der Besuch der Hallen wirkt wie ein Gang durch die zeitlichen Epochen der Produktion: Während in der ersten Halle schwere körperliche Arbeit nötig ist und viele Personen eingesetzt werden, findet der Fertigungsprozess in der dritten Halle fast vollständig automatisiert statt. Und mehr noch: durch die drei verbundenen Hallen fahren Gabelstapler, um Rohmaterial anzuliefern und die fertigen Teile abzuholen. Die Geschäftsleitung berichtete mir, dass derzeit Maßnahmen getroffen würden, um den An- und Ablieferungsprozess in Zukunft zu automatisieren. Ein enormer technischer Fortschritt mit Licht- und Schattenseiten für die Arbeitswelt von Morgen.
Die Automatisierung wird die Beschäftigten wesentlich entlasten. Die harte körperliche Arbeit wird zukünftig hauptsächlich durch Maschinen ausgeübt. Zweifelsfrei ein Gewinn. Klar ist aber auch, dass durch die höhere Automatisierung ein mittelfristiger Arbeitsplatzabbau droht. Damit sich bei den Beschäftigten keine Verunsicherung über ihre Zukunft breitmacht, muss der Staat jetzt handeln und die Menschen weiterqualifizieren, deren Arbeitsplätze vom Wandel der Arbeit betroffen sind. Unsere SPD-Vorschläge dafür liegen vor: das verbindliche Recht auf Weiterbildung und, sollte es dann doch zu einer Arbeitslosigkeit kommen, das Arbeitslosengeld Q, welches einen Anspruch auf Qualifizierung beinhaltet, der bereits nach drei Monaten ohne neue Erwerbsarbeit greift.
Dass von den Maßnahmen auch die Unternehmen profitieren, wird mit Blick auf die Herausforderungen deutlich, vor denen die Arbeitgeber*innen stehen: Dort, wo heute Facharbeiter*innen in der Produktion gebraucht wurden, werden morgen Facharbeiter*innen in der Informationstechnik und der Prozess- und Produktionsüberwachung benötigt. Auch hier muss der Staat aktiv werden und entsprechende Ausbildungsberufe und Berufsschulplätze in ausreichender Zahl zur Verfügung stellen. Gelingt es uns nicht, die Industrie bei diesem Schritt zu unterstützen, droht eine Abwanderung der Unternehmen. Wir müssen jetzt handeln. Auch hier liegt unser Vorschlag auf dem Tisch: Wir fordern einen 30 Mrd. Transformationsfonds für NRW, damit wir Firmen bei ihrem Weg zur Klimaneutralität und zur Digitalisierung begleiten können.
Den Wandel der Arbeit begleiten
Bis 2045, also in 24 Jahren, will und muss unser Land klimaneutral sein. Die kommende Zeit wird enorme Auswirkungen auf unsere Arbeitswelt mit sich bringen und uns alle fordern, sowohl die Beschäftigten als auch die Unternehmen. Gelingt es nicht, die Beschäftigten weiterzuqualifizieren und Unternehmen bei ihren Transformationsprozess zu unterstützen, werden wir Wohlstand und Arbeitsplätze verlieren. Das darf nicht der Preis sein. Wir können den Wandel zum Jobmotor machen. Dafür brauchen wir einen Staat, der die Unternehmen und Beschäftigten begleitet, der Innovation und Investitionen unterstützt und den Arbeitnehmenden Sicherheit im Wandel bietet. Wir können aus technischem Fortschritt menschlichen Fortschritt machen, klimaneutral werden und enorme Erleichterungen für Beschäftigte bewirken. Dafür braucht es einen starken Staat. Und dafür braucht es eine starke SPD.
2024 eröffnet in Schweden das erste mit Wasserstoff betriebene Stahlwerk. Schaffen wir es nicht, die Transformation zu einer klimaneutralen und digitalen Arbeitswelt im kommenden Jahrzehnt in die Wege zu leiten, verliert der Industriestandort Deutschland den Anschluss. Bei der Bundestagswahl entscheiden wir somit darüber, ob unser Land seinen Wohlstand und seine Arbeitsplätze an die kommenden Generationen weitergibt und wir gut in die 2020er-Jahre starten. Olaf Scholz kann mit seiner Erfahrung und seiner Kompetenz die entsprechenden Weichen stellen. Olaf Scholz kann Kanzler. Darauf kommt es bei dieser Bundestagswahl an.