Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat einem Gesetz zum äußeren Erscheinungsbild von Beamt*innen zugestimmt. Dieses regelt, welche Arten von „Körperschmuck“ erlaubt sein sollen. Hierbei wird den obersten Dienstherren der Behörden erlaubt, diese nach freiem Ermessen einzuschränken. Problematisch ist, dass Körperschmuck nicht nur Tätowierungen und Piercings meint, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Kopftücher und Kippas inkludieren könnte.
Anlass für die Gesetzesinitiative war eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2017. Damals hatte das Gericht entschieden, dass ein Verbot bestimmter Tätowierungen bei Beamt*innen einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Dies gab somit einem Neonazi im Polizeidienst recht, der darauf geklagt hatte, weiterhin Tätowierungen mit erkennbar verfassungswidrigem Inhalt tragen zu dürfen. Ein Verbot also verletze sein verfassungsmäßig gewährleistetes Persönlichkeitsrecht. Der Polizeibeamte selbst wurde zwar aufgrund seiner Gesinnung zu späterem Zeitpunkt aus dem Dienst entfernt – das Urteil jedoch blieb. Um eine erneute Blamage zu verhindern, entschied die Bundesregierung, die fehlende Gesetzesgrundlage nachzureichen. Das Ergebnis ist eben dieses umstrittene Gesetz.
Weshalb umstritten? Das Gesetz verbietet nicht nur verfassungswidrige Tätowierungen, sondern beschränkt das gesamte äußere Erscheinungsbild von Beamt*innen. Somit sind auch religiöse Symbole, wie die jüdische Kippa oder das muslimische Kopftuch, von der Regelung umfasst. Als Begründung wird dabei auf die weltanschauliche Neutralitätspflicht des Staates und der Verwaltung verwiesen. Religiöse Symbole würden eben gerade diese verletzen. Die Idee dahinter ist alt und mit der Religionsfreiheit verbunden: Nur ein von allen Konfessionen unabhängiger Staat könne wahre Religionsfreiheit gewährleisten. Tatsächlich wurde diese Art des Laizismus jedoch nie in Deutschland durchgesetzt. Die Präambel des Grundgesetzes beruft sich auf „Gott“, also einen christlichen Gott, an den meisten Schulen in Schulen gibt es nach wie vor nur die Wahl zwischen christlichem Religionsunterricht oder dem Fach Ethik und die Kirchensteuer wird als einzige religiöse Steuer vom Staat selbst eingetrieben – von Laizismus keine Spur. Der bayrische Ministerpräsident forderte noch vor wenigen Jahren, dass in jedes Klassenzimmer christliche Kreuze gehörten – ein christliches Symbol, das im Übrigen auch beim Bundesverfassungsgericht selbst hängt. Deutschland ist in seinem Selbstverständnis so sehr ein christlich geprägtes Land, dass sich sogar die gesetzlichen Feiertage am christlichen Glauben orientieren. Wir sehen also: Es gibt in weiten Teilen Überschneidungen zwischen Staat und der christlichen Religion und eine Trennung von Staat und Kirche ist in absehbarer Zeit kaum denkbar. Wenn man nun eine Trennung vollziehen wollte, ist diese Gesetzesinitiative ein denkbar schlechter Beginn. Beamt*innen am Arbeitsplatz religiöse Merkmale zu verbieten, erscheint vor diesem Hintergrund zynisch. Fakt ist letztlich auch, dass sowohl das Judentum, als auch der Islam unter diesem Verbot deutlich mehr zu leiden haben als das Christentum. Für die meisten Jüdinnen und Juden ist das Tragen einer Kippa Grundvoraussetzung für das Ausüben ihrer Religion, ebenso wie das Hijab für viele Musliminnen. Christinnen und Christen sind hingegen wenig bis gar nicht von dem Verbot betroffen. Das oft zum Vergleich herangezogene Kreuz an einer Halskette kann schließlich auch verdeckt getragen werden. Der Vergleich hinkt von vorne bis hinten.
Faktisch sorgt die Ermöglichung eines Verbots vor allem dafür, dass eine hochqualifizierte junge muslimische Frau, die gerne Staatsanwältin, Polizistin oder Finanzbeamtin geworden wäre, diesen Beruf nur mit größten Gewissenskonflikten ausüben kann. Gleiches gilt für viele jüdische Männer. Diese Menschen werden aufgrund ihrer Religion aus dem Staatsdienst gedrängt und so systematisch diskriminiert. Das ist nicht nur in Bezug auf die Religionsfreiheit fragwürdig, sondern in jedem Fall ethisch verwerflich und für die allumfassende Integration hinderlich. Ein multikulturelles Land wie Deutschland sollte jungen Menschen Möglichkeiten eröffnen – und ihnen nicht die Nase vor der Tür zuwerfen.
Die Gesetzesinitiative hat breite Kritik hervorgerufen. Mehr als 160.000 Menschen haben sich bereits jetzt gegen die Initiative in einer Onlinepetition positioniert. Zurecht! Es bleibt zu hoffen, dass diese Kritik nicht ungehört bleibt.